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Politischer Klimawandel: Die CDU in der Bredouille – Die Brandmauer bröckelt

Politischer Klimawandel: Die CDU in der Bredouille – Die Brandmauer bröckelt

Politischer Klimawandel: Die CDU in der Bredouille – Die Brandmauer bröckelt

CDU-Chef Friedrich Merz und AfD-Chefin Alice Weidel: Wie lange hält die Brandmauer noch? Montage: JF
CDU-Chef Friedrich Merz und AfD-Chefin Alice Weidel: Wie lange hält die Brandmauer noch? Montage: JF
CDU-Chef Friedrich Merz und AfD-Chefin Alice Weidel: Wie lange hält die Brandmauer noch? Montage: JF
Politischer Klimawandel
 

Die CDU in der Bredouille – Die Brandmauer bröckelt

Die Brandmauer bekommt zunehmend Risse. In Thüringen erzwingt die CDU eine Senkung der Grunderwerbssteuer mit Stimmen der FDP – und der AfD. Langsam aber sicher beginnen die Strategen im Konrad-Adenauer-Haus, über andere Koalitions-Optionen nachzudenken. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Allmählich ist das Blatt offenbar ausgereizt. Die Faschismus-Keule, der Einsatz des Verfassungsschutzes, Aufrufe von Iris Berben und Herbert Grönemeyer – ihre Wirkung verpufft oder führt sogar zum Gegenteil des Beabsichtigten. Schon das Scheitern der Kampagne gegen Hubert Aiwanger war ein Zeichen. Und die AfD steigt von Woche zu Woche in den Umfragewerten. Zuletzt bis auf 22 Prozent im Bund – quasi nur noch eine Armlänge entfernt von der Union und mit wachsendem Abstand zu Grünen und der Kanzlerpartei SPD. 

Bei den Landtagswahlen Anfang Oktober in Hessen und Bayern wird mit erheblichen Zugewinnen für die AfD gerechnet. Trotz Oppositionsführerschaft im Bund gelingt es CDU und CSU nicht, den wachsenden Unmut der Bürger über die Politik der Ampel-Regierung auf ihre Mühlen zu lenken. 

Den Unmut treibt neben den massiven Sorgen über eine völlig verfehlte Energie- und Klimapolitik in allererster Linie die unverändert unkontrollierte, chaotische deutsche Migrationspolitik. Und besonders hier gelingt es der Union nicht, glaubwürdig aus dem langen Schatten der ewigen Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel herauszutreten. Ihr apodiktisches „Wir schaffen das“ und das daraus folgende Erbe lastet tonnenschwer auf der Partei. Merkels Verantwortung für das Versagen in der großen Migrationskrise 2015/16 wurde bis heute nicht einmal klar beim Namen genannt, geschweige denn ansatzweise aufgearbeitet. Die in ihrer Amtszeit installierten Höflinge dominieren weiterhin in großen Teilen den Parteiapparat der CDU. 

Die Union im linksprogressiven Würgegriff

Vor allem Parteichef Friedrich Merz, der als Merkel-Gegner ins Amt getragen wurde, laviert glücklos mit einem Tanker, der in Jahrzehnten systematisch auf Linkskurs getrieben wurde und dessen Trägheit einer grundlegenden Kursänderung entgegensteht. Zu lange haben CDU-Verantwortliche die Wonnen wachsenden Einvernehmens mit den Grünen genossen. Wonnen, die sich in immer weicher werdenden Gesichtszügen führender Köpfe wie den CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther (Schleswig-Holstein) und Hendrik Wüst (NRW) prototypisch spiegeln. Doch dreht sich der Wind seit einer Weile nach rechts.

Noch dramatischer ist die demoskopische Entwicklung im Osten: Hier zeichnet sich bei den 2024 kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ab, daß in allen drei Ländern die AfD mit Abstand stärkste Partei wird. In den Umfragen liegen die Blauen weit über 30 Prozent. Immer absurder erscheinen die unfairen Versuche, die AfD als „Neulinge“, die sie längst nicht mehr sind, aus der parlamentarischen Praxis heraushalten zu wollen. 

Die Preisfrage lautet: Wie lange kann es sich die CDU noch leisten, ihre Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten? Wie lange will sie sich mit dem Argument, die AfD sei der „Teufel“ (Bodo Ramelow) oder „Nazis“ (Jan Böhmermann), zu bedingungslosen Erfüllungsgehilfen linker Koalitionen machen? Wenn die AfD in jeder Hinsicht nicht in den parlamentarischen Prozeß und Mehrheitsfindungen einbezogen wird, bestimmen Linke, Grüne und SPD, wo politisch der Hase langläuft – selbst wenn es auf dem Papier Mehrheiten aus CDU und AfD gibt. 

Thüringen als möglicher Wendepunkt

Nach den aktuellen Umfragen hätten Bündnisse von Union und AfD übrigens potentiell Mehrheiten nicht nur im Bund, sondern auch in zehn von 16 Bundesländern! Warum soll diese Machtoption eigentlich für immer und ewig ausgeschlossen bleiben? Warum soll bei Themen, wo sich eine klare Mehrheit der Wahlbevölkerung einig ist und sich dies auch in der Wahlentscheidung niederschlägt, sich diese Mehrheit nicht auch in der Gesetzgebung niederschlagen?

In Thüringen wurde von der dortigen CDU im Landtag jetzt der „Tabubruch“ gewagt, mit Hilfe von FDP und AfD eine Senkung der Grunderwerbssteuer von 6,5 auf fünf Prozent durchzusetzen. Das folgende Gejaule und die künstliche Empörung sind nicht mehr mit der Schockstarre vergleichbar, in die Medien und Politik verfielen, als der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Kemmerich im Februar 2020 mit den Stimmen von CDU und AfD zum Kurzzeitministerpräsidenten von Thüringen gewählt wurde. Damals diktierte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch über eine Pressekonferenz aus Südafrika der Öffentlichkeit eine – immerhin später vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verurteilte – Erklärung, diese demokratische Wahl sei „unverzeihlich“ und daß „das Ergebnis rückgängig gemacht werden muß“. Was dann auch nach einer beispiellosen Pressekampagne pflichtschuldigst geschah.

Heute ist die Aufregung harmlos. Die CDU-Spitze pocht noch formal darauf, es werde auch in Zukunft „natürlich“ keine Absprachen oder Koalitionen mit der AfD geben. Aber man werde Anträge einbringen und wenn die AfD zustimme, dann sei das eben so. Erkennbar setzt die Thüringer Entscheidung erhebliche Phantasie frei, um welche Optionen sich der Handlungsradius der CDU nun erweitert hat. Nicht nur aus Thüringen berichten Funktionäre von einem regelrechten „Aufatmen“ innerhalb der Partei. Man sei jetzt nicht mehr am antifaschistischen Nasenring von Rot-Grün-Linken durch die Manege zu führen. Man sei bei künftigen Verhandlungen weniger erpreßbar.

Wichtiger CDU-Stratege hält nichts vom Begriff „Brandmauer“

Andreas Rödder, anpassungsfähiger Stratege des Konrad-Adenauer-Hauses, erklärt nun, er halte sogar das Wort „Brandmauer“ für „falsch“. Die CDU dürfe sich nicht zwischen Grünen und AfD „einklemmen“ lassen. CDU-geführte Minderheitsregierungen, die sich auf wechselnde Mehrheiten unter Einschluß der AfD stützen, stehen längst auf der Agenda wenigstens im Osten der Republik.

Wir wohnen also einem langsamen politischen Klimawandel bei. Kraft veränderter Wahlentscheidungen der Bürger verschieben sich die politischen Gewichte in den Parlamenten. Im ersten Schritt wurden reflexartige Abwehrmechanismen aktiviert. Da sie nun nicht wirken, die AfD sogar weiter wächst – und zwar weil harte politische Probleme nicht angepackt und gelöst werden – ,verschieben sich die Gewichte weiter, und so muß sich die Öffentlichkeit daran gewöhnen, daß auch in der Administrative handelnde Personen wechseln. Wunderwelt der Demokratie!

Dies geschieht bereits in den Kommunen. Kommenden Sonntag könnte ein AfD-Kandidat im thüringischen Nordhausen in der Stichwahl erster blauer Oberbürgermeister werden. Dann kommt es in den Landtagen immer öfter zu wechselnden Mehrheiten, Minderheitsregierungen, Duldungen und eben irgendwann auch zu Koalitionen. Wenn alle verantwortlichen Politiker zur Vernunft kommen. Willkommen im neuen Normal!

CDU-Chef Friedrich Merz und AfD-Chefin Alice Weidel: Wie lange hält die Brandmauer noch? Montage: JF
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